Ein Güterbahnhof bei aufgehender Sonne

Tipps für Ihr Supply Chain Management Die neue Silk Road: Verlauf, Chancen, Risiken

Wo verläuft die neue Seidenstraße und welche Chancen und Risiken ergeben sich durch das Großprojekt für die internationale Supply Chain?

Als der chinesische Präsident Xi Jinping vor circa 6 Jahren das erste Mal in Deutschland war, wollte er auch den Güterbahnhof des Duisburger Hafens besuchen. Damals hat diese Frage viele überrascht, heute nicht mehr. Der Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen Europas und hat durch die zwischenzeitlich erfolgte Anbindung unter dem Label „Neue Seidenstraße“ weltweite Beachtung als Transportknotenpunkt erfahren.

Waren es 2018 erst ca. 30 Güterzüge, so fahren heute wöchentlich bis zu 60 Züge aus verschiedenen chinesischen Industriestädten wie zum Beispiel Shenzhen oder Peking zu den verschiedensten Destinationen. Die Landroute des „China Railway Express“ von etwas mehr als 10.000 km verläuft von China, Kasachstan, Russland, Belarus, Polen bis Duisburg. Zuverlässige Logistiklösungen in der internationalen Supply Chain weiß der Außenhandel zu schätzen. So wundert es nicht, dass der Duisburger Hafen neudeutsch in „Duisport“ umbenannt wurde.

Nur 14 bis 16 Tage fährt ein Güterzug von Shenzhen nach Duisburg. Per GPS lässt sich leicht ermitteln, wann der Zug ankommen wird. So lässt sich für zeitkritische Waren der anstehende Fertigungsprozess relativ gut vorplanen. Mit dem Schiff dauert der Transport circa 6  bis 7 Wochen. Die Luftfracht als schnellste Variante ist teuer und nicht für alles geeignet. Nützliche, allgemeine Tipps für eine operative Importabwicklung sind unten ersichtlich.

Von Peking aus können Güter auf der Schiene über Moskau auch bis nach Hamburg, London oder Madrid gelangen. In Planung ist eine Route, über welche sogar Teheran und Istanbul angeschlossen werden. Vom südlichen China könnten Lieferketten bis zu Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur entstehen. Selbst in Afrika sind mehrere neue Häfen in Planung. Insbesondere die Region um Kenia und Tansania wird in Betracht gezogen. Eine neue Schiffsroute könnte problemlos von Afrika bis Südostasien verlaufen.

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„One Belt, One Road“

Im Jahr 2013 erstmals von der chinesischen Führung vorgestellt, und in Anlehnung an über 2000 Jahre alte historische Handelsrouten, entstand innerhalb weniger Jahre eine Vielzahl an Verbindungswegen, die von den boomenden chinesischen Industriestädten durch zahlreiche Länder führt und aus logistischer Sicht China mit Europa verbindet. Unterschieden wird zwischen dem Seidenstraßen-Gürtel über Land und der Maritimen Seidenstraße.

Mit der Abkürzung OBOR ist ein Gürtel, eine Straße, und letztendlich das größte Intrastrukturprogramm Chinas aller Zeiten gemeint. Geschätzt wird, dass 1.000 Milliarden Dollar in geostrategische Vorhaben wie neue Bahnstrecken, Straßen, Häfen, Pipelines oder Großprojekte wie Kraftwerke oder Staudämme investiert werden. Es sollen mehr als 152 Nationen miteinander verbunden werden. Gemäß einer alten chinesischen Weisheit wird einfach losgelegt: „Tastenden Schrittes den Fluss überqueren“. Chinas Präsident Xi Jinping will unbedingt sein Prestigeobjekt, DAS Kernprojekt der chinesischen Außenpolitik, ein weltweites Netz aus Handelsrouten und Wirtschaftskorridoren, umsetzen. Offiziell ist nicht definiert, mit welcher Umsetzung dieses Projekt einmal endet.

Silk Road: Das Infrastrukturprojekt in der Kritik

China verkauft seine Seidenstraße gern als ein Projekt der friedlichen Völkerverständigung, von dem alle Seiten profitieren. Dabei wird verschwiegen, dass beim Bau der Seidenstraße 90 Prozent der Wertschöpfung bei chinesischen Unternehmen lag. Profiteure sind vor allem chinesische Bau-, Stahl- und Transportunternehmen.

Für China entstehen neue Märkte und Arbeitsplätze für eine Vielzahl von chinesischen Arbeitern. Quasi nebenbei kurbelt China die eigene Wirtschaft an, indem Überkapazitäten bei zum Beispiel Stahl und Zement abgebaut werden oder chinesische Technologien inklusive eigener Materialien verkauft werden. Und bei allem gelten natürlich chinesische Regeln und Standards.

Deutliche Kritik gab es von europäischen Unternehmen, die bemängelten, dass sie aufgrund von fehlender öffentlicher Information und mangelnder Transparenz keine Aufträge zum Bau der Seidenstraße erhielten. Bemängelt wurde auch, dass nur über Partnerfirmen oder direkt über die chinesische Regierung Aufträge nur aus Nischensegmenten verteilt wurden, die durch chinesische Unternehmen selbst nicht abgedeckt werden konnten. Das chinesische Außenministerium wies diese Vorwürfe stets zurück.

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China steht in der Kritik, mit „logistischer Macht“ einen globalen Macht- und Führungsanspruch voranzutreiben. Insgesamt leben 4,4 Milliarden Menschen entlang der Seidenstraße zwischen China und dem östlichen Mittelmeerraum. Das sind mehr als 63 Prozent der gesamten Weltbevölkerung, oder anders formuliert, es betrifft fast 30 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes.

Finanziert wird die Seidenstraße vor allem durch chinesische Kreditgeber. China ist sehr daran gelegen, Einfluss auf strategisch wichtige Standorte zu erlangen. Zufälle waren es nicht, dass chinesische Investments im griechischen Hafen Piräus dazu führten, die logistische Kontrolle zu übernehmen. Oder das zum Beispiel auf Sri Lanka ein Hafen von einem chinesischen Konglomerat übernommen wurde. Das kleine Laos investierte sechs Milliarden in eine Schnellbahntrasse, natürlich finanziert von einer chinesischen Bank.

Wegen Corona in der verkehrsberuhigten Zone

Die Corona-Krise hat einen massiven Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Seidenstraße. Erst mit Erholung der chinesischen Wirtschaft nimmt das Projekt wieder Fahrt auf. Im April 2020, zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle, startete in Wuhan ein Güterzug beladen mit 35 Containern voll mit Masken und Schutzkleidung. Es war fast symbolisch, ausgerechnet dort, wo die Pandemie ausgebrochen war, startete die wichtige Lieferung nach Europa.

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Der „Wandel durch Handel“ als Devise der westlichen Politik funktioniert nicht fair und nachhaltig

Als im Frühjahr 2019 der EU-China-Gipfel in Brüssel stattfand, sprach die EU-Kommission über Peking als einen „systemischen Rivalen“. Das war nicht nur mutig formuliert, der Druck auf Peking soll erhöht werden, um gegen unfaire Geschäftspraktiken und den Diebstahl europäischer Technologien vorzugehen. Brüssel veröffentlichte Empfehlungen für eine gemeinsame Position in Bezug auf chinesische Technologiekonzerne beim Ausbau kritischer digitaler Infrastruktur. In Zukunft soll geschlossener gegenüber dem östlichen Partner aufgetreten werden, ein Investitionsabkommen mit neuen Spielregeln soll abgeschlossen werden. Keine Frage, Europa muss sich kümmern.

Allgemeine Tipps für eine zügige, operative Importabwicklung aus China

Chinesische Lieferanten sind äußerst kooperativ, die Bestellvorgänge europäischer Kunden bestens abzuwickeln. Proforma-Invoices auf Englisch sind selbstverständlich. Jedoch ist nachvollziehbar, dass oft keine Kenntnisse über das europäische Zollsystem wie zum Beispiel Zolltarifnummern, gesetzliche Regelungen des UZK oder Ähnliches, bestehen.

Tipp 1: Sinnvoll ist eine (vertragliche) Vereinbarung, dass VOR Versand der Ware in China eine Freigabe der Proforma-Invoice durch einen fachkundigen Mitarbeiter des Importeurs erfolgt.

Tipp 2: Der Importeur ist verantwortlich für das Eintarifieren der Ware ab EU-Außengrenze. Sollte es Unterschiede zu chinesischen Zolltarifnummern geben, ist es empfehlenswert, beide Zolltarifnummern (auch die elfstellige Import-Zolltarifnummer) auf der Proforma-Invoice des chinesischen Lieferanten anzugeben.

Tipp 3: Wurde der Incoterm korrekt in die Proforma-Invoice übernommen? Eine spätere Korrektur ist fast nicht möglich, sollte die Ware bereits unterwegs sein. Die Folge wäre, dass die Ware geg. unverzollt mit einem T1 beim Importeur angeliefert wird und dieser auf eigene Kosten die Ware zum freien Verkehr abfertigen lassen muss.

Tipp 4: Stimmen die angegebenen Mengen, Gewichte, Warenbeschreibungen, Anzahl Packstücke, Ursprungsland usw. zwischen Bestellung und Proforma-Invoice überein? Aus der Praxis sind Fälle bekannt, dass zum Beispiel auf der Proforma-Invoice ein Gewicht von 30 Kilogramm angegeben wurde, das tatsächliche Gewicht jedoch 3.000 Kilogramm entsprach. Der Zoll wird sich durch das kostenpflichtige „physische Eingreifen“ ein eigenes Bild vom Inhalt verschaffen und geg. Zoll nachfordern. Ein erheblicher Zeitverlust bis die Ware letztlich zur Verfügung steht, ist die logische Konsequenz.

Tipp 5: Falls größere Maschinen, schwere Werkzeuge oder Stahlcoils per Bahntransport importiert werden, sind zur besseren Entladung die Nutzung von „Open Top Container“ sinnvoll. Durch die abnehmbare Plane mit Querstreben kann die Entladung von oben per Kran erfolgen. Um Flugrost zu vermeiden, oder empfindliche Ware zu schützen, sollte das Anbringen einer wasserdichten Transportverpackung vereinbart werden.

Tipp 6: Bei Ankunft in der EU (zum Beispiel Duisburg) ist mit Beendigung der Zollabwicklung auch die Einfuhrumsatzsteuer fällig (EUST = UST). Zollanmeldung und Proforma-Invoice sind zunächst die wichtigsten Vorlagen. Warenabhängig werden weitere Dokumente um Beispiel technische Spezifikationen angefordert. Selbst wenn der Importprozess durch eine routinierte Spedition übernommen wird, so sind Rückfragen durch den Zoll an den Importeur durchaus möglich. Die Vorlage einer korrekten Proforma-Invoice mit allen relevanten Angaben beschleunigt sämtliche Prozessschritte in der Importabwicklung.

(Tipps ohne Berücksichtigung von zum Beispiel Zollaufschubkonto oder besondere Zollverfahren)